Der Virtuose vom Times Square

Erste version 30 minuten

Einakter von Eduardo Quiles
übersetzt von Dagmar Grunewald

Person: Reynaldo Cossa

Während der Zuschauerraum sich verdunkelt, werden große Würfel in Form einer Plastik sichtbar. Auf einem der Würfel sitzt unter der Deckenbeleuchtung Reynaldo Cossa, trällert und zupft an einer Gitarre.

Lied von der "Irren vom Washington Square"

Ein Mädchen mit mondsüchtigen Augen / joggt am blauen Saum eines Traumes / und ein Krankenwagen / mit zornigen Polypenaugen / hetzt sie von weitem. / Lasst sie, es ist die Irre vom Washington Square, / sie trägt einen schwarzen Pulli / und Harlekinsstrümpfe. / Seht Ihr sie nicht umherlaufen / unter den Grimassen der Werbeplakate? / Vergesst sie. / Sie ist ein vorbeiziehender Mond, / der durch sein Utopia wandelt / auf einer Reise ohne Rückkehr. / Farbige Penner / gucken sie an, ohne sie zu sehen. / Sie ist die vergängliche Elfe / eines weißen Harlem, / die nicht an der Börse spielt. / Lasst sie. / Kopfhörer / kleben in ihren Ohren / und begleiten ihren Irrweg / mit Computergeigen. / "Ich werde mich umbringen." / Thanks very much / antwortet ein eiliger Reisender / von dunkler banaler Eleganz. / Sie reist mit ihrem Schatten und leuchtet / wie eine nächtliche Sonne, / die Taube ohne Flügel / vom Washington Square.

Reynaldo Cossa:
Glauben Sie mir? Es war, als ob ich im Sturzflug in das schwarze Loch eines Albtraums fiel ... (Pause) Wie sollte ich erkennen, dass in der Welt der Künste ... (Pause) Das hat mir schon meine Mama gesagt, meine Lehrmeisterin, in der Karibik ... (schlägt einen karibischen Rhythmus an). Tanze, mein Sohn, tanze ... (Tut es.) Lass dich nicht von der Melancholie einkriegen ... Sieh, was für ein Meeresleuchten im Dorf strahlt ... Tanze, mein Sohn, tanze ... Und gehe nicht weg aus diesem Licht ... Was wird mit dir, wenn du in New Yorks Bettlerstatistik auftauchst? Komm mir nicht mit Moral, Mama, es gibt nur ein New York, ich werde Saxophon spielen, meine Bilder zeigen, meine Lieder herausbringen ... Du bist ein Träumer, Reynaldo, du spielst Andy Warhol ... Und warum nicht, meine alte Dame? (Lächelt) Heute, hochverehrtes Publikum, große Retrospektive von Reynaldo Cossa im Museum of Modern Art ... Reynaldochen, vergisst du vielleicht, dass New York etwas von einem Raubvogel hat, der Träume zerstört? Was für Sachen die Mütter reden ... (Seufzt) Seitdem sind Jahre vergangen ... Ich kam als Illegaler und ging in die Cafés des Village, meine Lieder verkaufen ... Freunde, rafft euch auf, lest das Gedicht des Tages ... legt euer Geld in Lektüre an, es erleichtert ... Und eines Morgens, heute morgen, hat der Lehrling Schicksal mich auf die Tagesordnung gesetzt... (ernst) Das ist ein Überfall, gehen Sie weiter... (Pause) Ich konnte es nicht glauben! Haben Sie mich nicht gehört? Was haben Sie gesagt? Lächelnd: das ist ein Überfall ... Mitten auf der Fifth Avenue? Denken Sie nicht nach, das ist ein Überfall. Mittags? Im Herzen von Manhattan? Lenken Sie nicht ab, das ist ein Überfall ... (Pause) Ich betrachtete meinen Straßenräuber, ohne mit der Wimper zu zucken, gerade als ein Unbekannter sich zwischen uns beide drängte ... (Pause) Mein Herr, geben Sie mir etwas, damit ich zu McDonalds gehen kann .. Wer sind Sie, mit einer Hahnenfeder am Hut? Ein Penner ... Das Geld, das ich hier habe ... Was?...Ich kann es nicht nach meinem Belieben verwenden .... Warum? Sagen Sie es ihm, sagen Sie ihm, dass meine Freiheit mit einer Hypothek belastet ist. Das ist ein Überfall. Sind Sie sich darüber im klaren? Ein Hamburger würde mich von meiner Lebensangst befreien. Kann ich diesem schutzlosen Magen helfen? Ich werde Ihnen ein paar Dollar geben ... auf seine Rechnung. (Pause) Wir sind wieder allein ... Allein? Sicher, dass das ein Überfall ist? ... Brauchen Sie einen Notar, der das beurkundet, Herr ...? Reynaldo Cossa, zu Diensten ... (Pause) Sicher, dass das Ihr wirklicher Name ist? Und Sie, glauben Sie nicht, dass Sie ein großes Risiko eingehen? Zum Beispiel? Ich weiß nicht ... Ich könnte anfangen zu schreien ... Auf der Fifth Avenue herrscht solch ein Krach. Versuchen Sie es ... Erlauben Sie es mir? Versuchen Sie es. Ich werde es tun. (Pause) Sie, ja Sie, mein Herr, der Sie vorbeigehen, hören Sie? Ich werde überfallen ...(Pause) Thanks very much. (Pause) Hallo, meine Dame, bleiben Sie einen Augenblick stehen, ich werde ausgeraubt ...(Pause) Oh, thanks very much. Ich habe gesagt, dass ich ausgeraubt werde. Thanks very much (Pause) Schade, Ihre Stimmbänder ... Zum Teufel, hören Sie auf zu schreien und genießen Sie die Brise vom Hudson, sie lädt zum Spazieren ein ... (Pause) Und dieser andere Vagabund da, was zum Teufel tut er? Sie werden schon sehen. Er angelt ... Mitten auf einer öffentlichen Straße? Da ist ein Dollar im Gully ... Er angelt! Wirklich ein goldener Tag zum Angeln. Möchten Sie etwas? Nein. Nur, dass dieser Herr hier mich gerade ausraubt. Ruhe! Ein Dollar ist ein großer Fisch, der entwischen könnte ... Petri Heil, mein Herr! (Pause) Soll ich Ihnen etwas beichten? Dieser Überfall hat mich so mitgenommen, dass ich ganz trockene Lippen habe ...Soll ich Sie zu einem Glas einladen? Ich raube Sie aus und Sie laden mich zu einem Glas ein? Na, schließlich ... aber nur eines und schnell, ja? (Stellt zwei Würfel zu einer Theke zusammen.) Was möchten Sie? Mir blieb die Spucke weg, weil dieser Herr hier ein hervorragender Langfinger ist, ein Künstler in seinem Fach, und mich ausrauben wird ... Ich habe lediglich gefragt, was Sie haben möchten ... Whisky, und der Herr Straßendieb nimmt was? Tomatensaft ... Der Passantenräuber nimmt ... Ich habe es gehört, mein Herr, ich bin nicht schwerhörig, ich gehe aufs Konservatorium Clarinete McKay ... (Sie trinken, die Theke wird wieder auseinander genommen.) Wieder auf der Straße. Ja, wieder, Herr Cossa. (Zeigt eine Blume.) Meine Herrschaften, Rosen, Magnolien, Lilien, Vergissmeinicht... Ich liebe Blumen, wirklich, aber ich werde gerade ausgeraubt und kann nicht ... Oh, mein Herr, mit einer Blume in der Hand ist das Leben ein Fest ... Und wenn ich Ihnen verraten würde, dass das Leben ein einziges Ausplündern ist? Hören Sie auf die Blumenhändlerin: Mit einer Nelke im Knopfloch träumen sogar die Raubvögel aus der Bronx von Mozart ... (Räuspert sich) Kann ich Ihnen eine Nelke kaufen? Wie viel kostet sie? Ein Dollar. Kann ich? Ich werde diesen Dollar bezahlen. Ich will nicht, dass Sie auch nur einen Cent aus Ihrer Tasche anrühren, die ist jetzt meine. (Pause) Reynaldo Cossa, seitdem ich angefangen habe, Sie auszurauben, geben Sie unaufhörlich Geld aus. Jetzt bin ich an der Reihe ... Was wollen Sie sagen? Sie haben einem Parasiten einen Almosen gegeben, einen Whisky getrunken, Blumen gekauft ... Immer mit Ihrer Erlaubnis. Ach, ja? Hilfe! Fliehen Sie nicht, Sie riskieren Kopf und Kragen ... (Kommt furchtsam zurück.) Gut. Sparen wir also ... Kommen Sie, gehen wir in diesen kleinen Laden ... (Kommt hinter einer Pyramide von Würfeln hervor.) Was wünschen Sie? Was kostet der perlgraue Anzug, den die Puppe trägt? 600 Dollar. Das ist... sündhaft teuer...Sehen Sie, mein Herr, er ist aus reiner Schurwolle ... Haben Sie nicht einen aus Synthetik? Hören Sie das? Schurke! (Pause) Wo gehen wir hin? Zur Diamond Row. Einverstanden, Herr ... Herr? Valdés, Chino Valdés.. Der neue Anzug steht Ihnen gut, Chino Valdés ... und wenn man es recht bedenkt, hat man uns einen optimalen Preis gemacht ... (Pause) Sagten Sie Diamond Row? Herr Cossa, was haben wir im Heiligtum der Juwelen verloren...? Gehen Sie weiter. (Pause) Gucken Sie mal, sehen Sie sich diesen Glanz im Schaufenster an ... Der Herr im schwarzen Gehrock mit dem Hut wird Ihnen gern Juwelen verkaufen, und ich, Herr Valdés ... Schurke! (Betrachtet seinen Finger) Der Rubin auf dem Ring funkelt wie ein Regentropfen ... (Pause) Oh, er zittert ... So ein Überfall... löst Beklemmungen aus. (Pause) Ein Schrei ... würde mich vielleicht ein wenig erleichtern ... Schreien Sie. Hilfe! Man beraubt mich, Herr Fußgänger ... Thanks very much! Es ist sinnlos, er hat Sie nicht verstanden ... Die Fifth Avenue ist eine eilige Dame von Welt ... (Pause) Vielleicht sollte ich einige Gedichte lesen ... Sie wollen hier ein Gedicht lesen? In der New York Public Library? Wenn Sie es genehmigen, würde ich Dichter in New York lesen... Gehen Sie weiter. Die Planetenbibliothek wird Ihnen ihre gedruckten Juwelen zeigen. Lassen Sie Ihren Sarkasmus... Vorsicht, die beiden Löwen, die den Eingang bewachen ... ! (Geht schnell ab, kommt wieder mit einem Buch in der Hand.) Und wieder ... auf dem Asphalt ... haben die Gedichte Ihre Verspannung gelöst? Hilfe! Ich werde überfallen... Thanks very much! Wie hartnäckig Sie sind ...Ich weiß nicht, ob ich weinen oder beten soll ... Hier ist die Kathedrale von St. Patrick, hier kann man beten. Erlauben Sie mir, mich zu sammeln? Wir werden uns geistig sammeln, Bruder. (Summt einen gregorianischen Gesang.) Oh, Vater! Man überfällt mich ... (Segnet ihn.) Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ... Was für ein Starrkopf ... (Pause) Sie können am gotischen Altar meditieren ..Das Leben ist ein ständiger Überfall, mein Sohn (Hört auf zu singen. Pause) Betreten Sie den Fußboden mit Andacht... Scheint ein Tourist zu sein, der sich vom Rockefeller Center verirrt hat ... (Pause) Vielleicht ein paar Atemübungen ... Klar, Junge, ausatmen, einatmen, sieh, wie ich es mache! Sie werden sich besser fühlen. (Plötzlich zeigen Schattenspiele einen Straßenkampf.) Ey, was für eine Sauerei führt dieser Schwarze mit dem Spanier im Schilde? Sie schlagen die Zeit tot. Um Himmels willen, sie kämpfen mit einem Messer in der Hand... Nicht einmischen ... Sie werden sich gegenseitig aufschlitzen ... Ich habe gesagt, nicht einmischen ... Sie sind gut aussehende junge Männer, die alle Zeit der Welt haben, um ihren Hoffnungen nachzujagen ...Beachten Sie sie nicht. Aber sie stehen in der Blüte ihres Lebens ... Schweigen Sie. Die Messer blitzen durch die Luft ...sie werden Blut vergießen. Nein! Sie werden ihnen wohl noch ein Gedicht machen ... Verhindern Sie den Kampf. Ich? Sie sind ein ganz schön harter Brocken, was? Ich kann nicht. Wie, Sie können nicht?
(Reynaldo Cossa dreht sich zu seinem Peiniger um, pantomimisch stellt er dar, wie er sich wehrt. Schließlich gelingt es ihm, Chino Valdés die Waffe zu entreißen, die er verborgen hat.)
Geben Sie mir die Pistole zurück ... Seid ruhig, Ihr Kampfhähne, oder ich eröffne das Feuer! ...(Die Silhouetten bleiben bewegungslos, überrascht, zögern und fliehen in entgegengesetzte Richtungen.) Sie haben es geschafft, Sie Dickkopf ... Hahaha. Es ist fantastisch. Sie haben sich davongemacht, die Schlägerei wurde verhindert...Sie werden leben, oh, ja! Das ist das Wichtigste...Sie waren so jung ... (Pause) Warum sehen Sie mich so an? Was gucken Sie so? Mein Revolver ... Ach, Entschuldigung, hier haben Sie ihn, es war ein Versehen ... (Reynaldo Cossa gibt die Waffe mit einem Schuldgefühl zurück.) Sie werden mich nicht noch einmal entwaffnen, kommen Sie nicht auf den Einfall ...Ich muss ... ich muss mich entschuldigen ... Die Geduld von Chino Valdés hat auch ihre Grenzen ... Ich habe den Kopf verloren ... Ich habe genug von Ihnen. Ich bitte tausendmal um Entschuldigung ... Bis obenhin habe ich Sie satt ... Ich werde meine Wunschträume besser kontrollieren, es wird nicht wieder vorkommen. Dem größten Revolverhelden von Manhattan den Revolver wegzunehmen ... Stellen Sie sich nicht so an... Und wie, bitte schön, soll ich mich anstellen? Seien Sie nicht so deprimiert, bitte ... Verdammt! Mein Ruf ist hin...Es war unverschämt von mir ...Den Virtuosen mit den langen Fingern zu entwaffnen ... Aber, Chino, es gab keine Zeugen, kein Messerheld von der Bronx war in Sicht ... Das fehlte ja gerade noch! Raffen Sie sich auf, wie wäre es, wenn wir in die NBC-Studios gingen? ...Wozu? Sie würden berühmt werden, Chino Valdés, über Ihr Happening unter der Sonne des Big Apple würde die ganze Welt sprechen ... Die Welt? Sie müßten zum Psychoanalytiker gehen, könnten den großen Mann markieren... (Gähnt) Solche glänzenden Prophezeiungen machen mir Appetit ... (Pause) An der 53. Straße ist eine Pizzeria, wo...Sie gucken ständig auf Ihre Tasche, die mir jetzt gehört ...ich habe sie wie einen Spatz erbeutet ...oder nicht? Ich sollte es mit einem Menü vom Feinsten feiern, vielleicht Spargel mit geräuchertem Lachs ...Dann werden Sie, Chino, der Walt Whitman der Gastronomie sein ... Heute ist ein großer Tag...Ach, ja? Dann gehen wir ins Chumley`s, noch gibt es Künstlertreffs mit Leuten wie Joyce, Steinbeck ... Lassen Sie die Mythologie sein, Reynaldo Cossa ... (Pause) Sie haben Recht, Chino, essen wir das Tagesgericht in einem indischen Restaurant ... Schuft!
(Theke, Tisch und Stühle eines Restaurants werden mit Hilfe der Würfel gebaut. Reynaldo Cossa trägt eine Serviette über dem Arm.)
Was wünschen die Herren? Zum Aperitif bringen Sie mir Austern mit Champagner ... Und hier der Herr? Nein, ich habe keinen Appetit ... Ach, nein? Es ist, weil ... hier der Herr hat mich überfallen ... Jetzt plaudert er schon wieder aus seinem Privatleben! (Seufzt) Ich habe keinen Pfennig mehr ... Nun, bringen Sie ihm eine Portion Krebse und ein Mineralwasser ... Und die Rechnung...Okay, mein Herr! Wie ich Ihnen bereits sagte, will ich Ihr Geld jungfräulich, unberührt, unversehrt und vollständig. Diese Austern, Chino, kosten ein Heidengeld. Schuft! (Pause) Es ist lange her, dass ich so gut gegessen habe. ... Und was jetzt? Wir gehen zum Broadway ... Und warum nicht off Broadway? Vielleicht gibt es am Times Square Karten für ein Musical. Was ist mit dem Phantom der Oper?...Ich bevorzuge das off off..., dort legen die wüstesten und abwegigsten Fantasien ihre Eier ... Sie wissen schon, Avantgarde-Theater ... und billig...Sie haben gewonnen. (Sieht ihn missbilligend an.) Schurke!
(Baut mit den Würfeln eine Sesselreihe und sitzt wie versunken in eine surrealistische Szene.)
Ich habe nichts von dem Stück verstanden ... (Würfel werden weggeräumt.) Weil Sie von den Quellen einer risikolosen Ästhetik trinken ... Ich habe mich gelangweilt ... (Pause) Wir sollten uns ein wenig vergnügen ... Woran denken Sie? Geld ausgeben, warum gehen wir nicht nach Harlem? Ich würde gern nach Jazz tanzen ... (Ein Rhythmus ertönt, er tanzt.) Ich bevorzuge Spanish Harlem, Herr Cossa ...(Andere Musik ertönt, er tanzt weiter.) Salsa ... das ist es... (Pause) Gut, Chino, aber lassen Sie es sich nicht einfallen, auf die Zeche zu achten ...Schurke!
(Salsarhythmen ertönen. Reynaldo Cossa nimmt eine Flasche, trinkt anfangs mit einer gewissen Andächtigkeit und macht ungeschickte Tanzschritte. Schließlich fällt er in eine Art Rausch; ohne die Flasche abzusetzen, ruft er mit leicht betrunkener Stimme:)
Was für ein Rausch von Laserstrahlen, was für eine Hölle von Dezibel ... (Anderer Ton) Andauernd beklagen Sie sich ... Sehen Sie dieses Mädchen? Eine Rothaarige, wie gemacht für eine nächtliche Orgie ...Sie hat mir zugelächelt. Und was will sie? Chino, Ihre Partnerin ist ein karibischer Traum ... Tanzen Sie mit der Rothaarigen und belästigen Sie mich nicht ... Verzeihung, aber wo es doch das erotische Paradies einer Mulattin gibt ... Sie haben mir auf den Fuß getreten, können Sie keine Merengue tanzen? Nun schlage ich mir schon mal die Nacht um die Ohren und ... Aber wie tanzen Sie denn? Sie erregen Aufsehen ... Das kenne ich nicht ... Mir wird schwindlig, alles dreht sich, ich komme aus dem Rhythmus ... Also wirklich, man kann mit Ihnen nirgendwo hingehen ... Wow! Was für ein Rhythmus...Als würde man in die Umlaufbahn geschossen... Es ist das Fest der durchgehenden Gebeine ...! Nein, ich habe nichts mit Ihnen zu tun... Man soll sich auch nicht so anstellen ... sage ich ... Ich kenne ihn nicht. Ich bin der Donald Duck des Salsa ... Und was jetzt? Ah, wenn Sie Ihre Puppe zu einem Glas einladen, achten Sie auf die Preisliste ...(Anderer Ton) Schurke! Mein Kopf dreht sich ... (Schweigen) Gehen wir raus, laufen wir ein bisschen ...Klar doch, solch ein karibischer Rhythmus und solch eine Sauferei ... (Pause) Da kommt ein freies Taxi ... (Mit den Würfeln wird das Innere eines Autos dargestellt.) Was für ein Rütteln; mein Herr, gehen Sie nicht so wild mit dem Gaspedal um ... Was passiert jetzt? Nichts, nur dass der Taxifahrer und der Fahrer des Touristenbusses sich an der Ampel beschimpfen ... Und warum diese Verfolgungsjagd, Chino? Der Typ aus dem Bus weiß wohl nicht, dass in diesem Auto der Virtuose mit den langen Fingern sitzt ... (Pantomime der nächtlichen Verfolgungsjagd geht weiter. Abschließendes Bremsen. Reynaldo Cossa steigt aus dem Taxi aus.) Oh, dieses absurde New York! (Pause) Ein Spaziergang wird meine Nerven beruhigen ... Und wenn wir uns auf diese Bank setzen würden? Los! Noch immer joggen Nachtschwärmer auf dem Washington Square ... (Pause) Setzen wir uns... Washington auf seinem Sockel flößt mir Mut ein ... Gut. Nun zur Sache! Die Stunde ist gekommen, sich zu verabschieden ... (Pause) Chino, ich war so allein, es ist lange her, dass ich mit jemandem ausging, der ... Sie übertreiben; die Einsamkeit, sagte ein feiner Pinkel mit viel Hirn, ist eine Form, mit dem anderen zusammen zu sein ... Daran habe ich nicht gedacht ... So, dass man nicht zum Opfer wird ... Es war eine Schwäche. Ein anderer intellektueller Dandy hat behauptet, so verlassen ich auch bin, meine Einsamkeit wird doch von den Problemen der anderen bevölkert ...Donnerwetter, Chino, das ist mir noch nicht passiert! ...Es ist eine Sauerei, als Opfer durchs Leben zu gehen ... Tut mir leid. Ich habe auch sagen hören, dass man niemals auf dieselbe Art allein ist. Wie Recht Sie haben ... Und man hat mir gesagt, dass Alleinsein nicht nur die Abwesenheit von Gesellschaft ist ... Sie bringen mich ganz durcheinander. Nun, woran haben Sie gedacht? Dass einen Straßendieb nur das Geld seiner Kunden interessiert? Oh nein, ich weiß, dass Sie auch ein Herz haben ... Wirklich? Ach, das hat mir noch nie ein Kunde gesagt...Seitdem wir uns ... begegnet sind, habe ich gemerkt, dass Sie, Chino, ein weltgewandter Utopist sind ... Ich? Ich habe mir gesagt: Reynaldo Cossa, wenn ein Träumer aus Manhattan die Minute nicht umgestalten kann, die vorüber rinnt, wandelt er die fremde Brieftasche um ... Haben Sie das von mir gedacht? Ich sagte mir: Tausche seinen Revolver gegen eine Waffe des Gewissens und du hast einen solidarischen Freund an deiner Seite... Sie sagen das auf eine Art ... Sie haben sich in mein Leben gedrängt, ich habe Sie liebgewonnen ... (Gähnt) Sie sind müde, was? Ja. Schließlich ... (Baut mit den Würfeln eine Parkbank.) Strecken Sie sich auf der Bank aus, legen Sie Ihren Kopf in meinen Schoß und machen Sie ein Nickerchen. (Gehorcht) Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll ...Jetzt würden Sie sicher gern ein Lied hören. (Mit geschlossenen Augenlidern) Also wirklich, Sie bewegen sich in den geheimsten Winkeln meiner Seele wie niemand sonst ... Was für Jazz mögen Sie? Vielleicht den Duke? Duke Ellington? Ich bin ganz versessen auf ihn... (Mit einer Mundharmonika, summt vor sich hin und imitiert Ellington) Was für eine Stimme, Chino, was für eine Stimme. (Seufzt vor Behagen) Hören Sie nicht auf zu singen, bitte, nicht aufhören ...
(Sein Angreifer gehorcht, etwas später schweigt er plötzlich.) Das ist schön ...! (Richtet sich auf.) Ist was passiert? Nur, dass ich nicht Ihr Kindermädchen bin... Ich habe geglaubt, dass mich ein Vorstadtengel aus Harlem in den Schlaf wiegt ... Diese Musik und eine so sanfte Stimme ...(Aggressiv) Ich bin ... Denken Sie daran, ich wollte Ihnen nur meine Hand reichen ... (Besänftigt) Man hat mir nie beigebracht, die Hand eine Freundes zu drücken ...Ist das wirklich so, Chino Valdés? Wie das Leben selbst, Reynaldo Cossa. Nun ja, sehen Sie ... (Zögert und streckt seine Hand aus.) Was zum Teufel tun Sie? Ich biete Ihnen meine Hand an ... Wenn ich sie ausstrecken würde ... Mut ... würde ich verlieren ... Sie würden nichts verlieren. Es würde meinen Ruf ruinieren. Das ist unvereinbar ... Wissen Sie, wie viel Zeit es mich gekostet hat, mir einen Namen zu machen, hier in Manhattan? Sie? Einen Namen? Sie unterschätzen mich, mein Freund ... Ich habe meine Hand angeboten. Sie vergessen, dass Sie es mit dem Virtuosen zu tun haben ... Ja, sicher ... Diese Unterhaltung ist nun zu Ende. Sie sind ein seltsamer Kumpel, Chino ... Sagen Sie nicht, dass Ihnen unsere Trennung schwerfällt... Entschuldigung ... Es wird vier Uhr morgens sein ... Ich ... würde mich nicht so schnell verabschieden... Aber ich ... (Pause) Es ist nun an der Zeit, den Raubüberfall zu vollenden ... Geben Sie mir alles, was Sie da drin haben ... Alles? Bis auf den letzten Cent ...Aber ... Los jetzt, ich habe Sie in der Wall Street beobachtet, ich habe Sie durch die Fenster der Bank gesehen, am Abholschalter ... Und ich sah Sie mit prall gefüllten Taschen wieder herausgekommen ... genauso wie sie jetzt sind ...zum Bersten voll! Sie werden sehen, ich ... Wollen Sie Ärger mit meiner Pistole bekommen? Aber ... Alles! Geben Sie es mir! Was ist das? Na, alles. Alles? Das ist ein brandneuer Ein-Dollar-Schein. (Seufzt) Ich bin in einer schwierigen Lage ... Ich ging zur Bank und hob den letzten Dollar von meinem Konto ab ... Und was die Taschen betrifft ... Sie sind voll mit ... Gedichten ... (Pause) Zeigen Sie her, wie viele sind es ... Sie passen nicht in meine Hände, Gedichte, bloß Gedichte...Hm, ich kann nichts anderes, Chino ... Ich war verzweifelt und dachte daran, ins Exil zu gehen, weg von diesem Riesenerdball, der durch den Kosmos rast ... Ich habe an alles gedacht! Und dann kamen Sie ... Na ja, soll ich Ihnen mein letztes Werk vorlesen? Vielleicht Die Irre vom Washington Square? ...
(Die Szene verdunkelt sich langsam, während das Lied ertönt.)

ENDE